Jacqueline O´Mahony: Sing, wilder Vogel, sing

Die junge Honora muss 1849 die große Hungersnot in Irland miterleben. Gleich zu Anfang des Buches erfahren wir aber, dass sie es geschafft hat (wie so viele ihrer Landsleute) nach Amerika auszuwandern. Doch wie soll die freigeistige und rebellische junge Frau das geschafft haben, die nicht mehr besaß, als die Lumpen, die sie am Körper trug? Und wie ist sie in der Einsamkeit der amerikanischen Prärie in einem Freudenhaus gelandet?
Mit Honora lernen wir eine ähnlich dramatisch angelegte Frauenfigur, wie Kya aus dem „Gesang der Flusskrebse“ kennen.
Auch hier bangen wir um ihr Überleben und hoffen, dass sie stark genug ist, um sich allen Widrigkeiten entgegenzustellen.
Auch in historischer Hinsicht handelt es sich hier um einen sehr interessanten Roman.
Zum Einen erfahren wir viel über die grausamen Umstände in diesen dunklen irischen Jahren. Zum Anderen zeigt uns die Autorin die Parallelen zwischen Iren und Native Americans auf.
Beide Völker verlieren durch ihre Besatzer ihr Land, Stolz, Würde und ihre Lebensgrundlage. Und sind bis heute durch eine enge Freundschaft miteinander verbunden.
Ein historischer Roman, der ganz anderen Art, den ich mit großer Spannung gelesen habe.

Margarethe Adler: Die Stunde der Mauersegler

„Die Stunde der Mauersegler“ ist eine deutsche Familiengeschichte über vier Generationen.
Wir lernen die Familie Simon im Jahr des Mauerbaus 1961 kennen.
Elisabeth und ihr Mann Konrad sind überzeugte Sozialisten. Elisabeths jüngerer Bruder Henning gehörte allerdings zu den letzten, die eine Lücke in der Mauer nutzen können, um in den Westen zu fliehen. Und auch der Ausreiseantrag von Elisabeths Tochter Isa wird 1988 erfolgreich sein, so dass Isa mit Mann und kleiner Tochter in den Westen übersiedeln kann.
Die Familie ist also komplett zerrissen, nicht nur geographisch, sondern auch emotional und in der jeweiligen politischen Überzeugung.
Im Jahr 2015 taucht Elisabeths Bruder Henning, nach Jahrzehnten des Schweigens, uneingeladen bei einer Familienfeier auf und macht seiner älteren Schwester bittere Vorwürfe.

Urenkelin Lou, die Journalistik studiert, ist fassungslos, wie wenig in ihrer Familie über die Vergangenheit geredet wurde, bzw. wie viel verschwiegen wurde.
Ihr Spürsinn ist geweckt und sie versucht, die Stasiunterlagen ihrer Familienmitglieder einzusehen.
Und bringt damit einen Stein ins Rollen.
Denn alle Familienmitglieder haben ihre ureigenen Sichtweisen auf die Familiengeschichte, auf die politische Situation und jeder hat ein schweres Päckchen zu tragen.
Wird endlich geredet und so manches Missverständnis aufgeklärt?

Nachdem ich anfangs ein wenig Mühe hatte, mir die vier Generationen der Familie Simon zu sortieren, hat mich die Geschichte wirklich in ihren Bann gezogen.
Ich habe einen hochspannenden und sehr aufschlussreichen Roman gelesen.
Die Autorin hat jeder Figur genug Raum gelassen und weckt somit beim Leser Verständnis dafür, dass man politische und persönliche Ereignisse immer von mehreren Seiten betrachten muss.

Alina Bronsky: Pi mal Daumen

Ich denke, dass ich mein Lieblingsbuch für den Herbst 2024 gefunden habe!
„Pi mal Daumen“ ist, man ahnt es schon, tatsächlich ein Buch über Mathematik.

Oscar ist 16 Jahre alt und ein mathematischer Überflieger. Er hat bereits sein Abitur bestanden und fängt nun sein Studium an. Seinen Mitstudenten steht der unempathische Oscar äußerst skeptisch gegenüber. Als dann auch noch Moni (Anfang 50, roter Minirock, Leopardenmusterbluse...) in den Hörsaal rauscht, ist der junge Mann komplett verwirrt. Moni arbeitet weder im Sekretariat noch in der Kantine (wie Oscar vermutet), sondern ist eine ordentliche Studentin.
Und nimmt Oscar unter ihre Fittiche.
Die beiden Außenseiter freunden sich an. Moni hilft Oscar im praktischen Leben und er ihr im Bereich Mathematik, obwohl er davon ausgeht, dass Moni nur kurz seine Mitstudentin sein wird.
Moni zeigt sich jedoch als äußerst begabt und Oscar beginnt nachzuforschen, wer diese Frau eigentlich ist, die sich für eines der schwierigsten Studienfächer eingeschrieben hat, gleichzeitig an der Supermarktkasse arbeitet und sich um ihre drei Enkel kümmert.
Ein tragikomischer Roman über die vierte Dimension, zwei Außenseiter, herzerwärmend und keine Minute langweilig.
Sie werden sich großartig amüsieren!
Und das sage ich, die Zahlen mag, aber im Bereich Mathematik keine Lorbeeren ernten konnte.

David M. Barnett: Zwischen uns ein Licht

In diesem Buch erwartet die LeserInnen eine wirklich charmante Liebesgeschichte.
Gayle und Martin waren am College ein Paar. Doch die angehende Anwältin hatte irgendwann genug von Martin und seinen Träumen.
Einige Jahre später hat Gayle ihren Traummann gefunden, auch wenn er nicht möchte, dass sie weiterhin als Anwältin arbeitet.
Martin dagegen verschlägt das Leben tatsächlich auf eine einsame Insel.
Nachdem er an einem einzigen Tag seine Freundin, seinen Job und seine Mutter verloren hat, scheint ihm der Beruf des Leuchtturmwärters mehr als attraktiv.
Hier kann er sich vor der Welt verstecken und endlich versuchen, ein Buch zu schreiben.
Einmal im Jahr wird seine Ruhe gestört, dann findet ein Schulausflug statt, der es benachteiligten Kindern ermöglichen soll, Natur pur kennen zu lernen.
Und wie es das Schicksal will, steht ausgerechnet Gayle, als Aushilfslehrerin vor Martin…
Leider hat der Verlag, meiner Meinung nach, dem Buch ein wirklich - sagen wir mal - nicht schönes und sehr kitschiges Cover gegeben.
Dabei ist diese Geschichte wirklich nicht kitschig.
Sie sprüht vor britischem Humor, hat den richtigen Anteil Tragik und ist für LeserInnen von Jojo Moyes definitiv eine tolle Urlaubslektüre.

Julia Karnick: Man sieht sich

Flensburg in den neunziger Jahren:
Robert und Friederika lernen sich in der Oberstufe des Gymnasiums kennen. Schnell werden die beiden enge Freunde, beide haben es nicht ganz einfach zu Hause. Dumm ist, dass Robert sich recht schnell in Frie verliebt, sie nur gar nichts davon bemerkt.
Nach dem Abitur trennen sich ihre Wege erst einmal.
Frie geht für einige Zeit nach Australien, genießt das Leben und vergisst ihre Freunde.
Robert geht nach Hamburg, wird Musikstudent und versucht Frie und seinen Liebeskummer zu vergessen.
Bis sie eines Tages einfach vor seiner Tür steht und wieder in Roberts Leben poltert, worüber er nicht wirklich begeistert ist.
Robert macht sich langsam einen Namen in der Musikbranche, ausgerechnet das Lied, dass er als verliebter Neunzehnjähriger für Frie geschrieben hat, ebnet seinen Weg.
Frie stürzt sich voller Ehrgeiz in ihr Jura-Studium.
Ihre Wege kreuzen sich immer wieder, die alte Freundschaft lebt wieder auf, doch wird daraus endlich eine Liebesgeschichte?
Tatsächlich lässt die Autorin das Buch mit einem Kapitel beginnen, als die beiden sich, inzwischen fünfzig Jahre alt, beim Klassentreffen ihres Abiturjahrgangs wiedertreffen.
Was aber ist in den Jahrzehnten dazwischen passiert?
Ein spannender Trick von Julia Karnick!
Ein wundervolles Buch über verpasste Gelegenheiten und über das Erwachsenwerden in den neunziger Jahren.
Wer die Bücher von Ewald Arenz gelesen hat, ist bei Julia Karnick genau richtig!

Emma Hamberg: Bonjour Agneta

Agneta ist 49 Jahre alt, verheiratet mit Magnus und Mutter von zwei studierenden Kindern.
Bislang hat sie ihr unaufgeregtes Leben akzeptiert, doch die Kinder sind aus dem Haus, melden sich nur noch wenn sie Geld brauchen und Magnus steht der Sinn nach einer Lebensveränderung.
Diese Veränderungen beinhalten Punkte wie: Ernährungsumstellung auf kalten Haferbrei und Gemüse. Käse, Alkohol und Kuchen werden aus dem Haushalt verbannt.
Die neuen Freizeitaktivitäten bestehen aus Schwimmen in eiskalten Gewässern und Vogelbeobachtung.
Dumm ist nur, dass Magnus davon ausgeht, dass Agneta seine Begeisterung teilt. Das tut sie nicht.
Als sie eine kryptische Stellenanzeige in der Zeitung liest, bewirbt sie sich.
Allerdings in der Annahme, dass sie irgendwo in Südfrankreich als Kindermädchen für einen kleinen schwedischen Jungen arbeiten soll. Agneta bekommt eine Zusage und wagt es tatsächlich die Reise anzutreten.
Die Fahrt ist bereits chaotisch, doch sie schafft es, trotz verlorenen Handys, in der Provence anzukommen.
Die Dorfbewohner empfangen sie sehr warmherzig, auch wenn man sich sprachlich nicht wirklich verständigen kann.
Und der zu betreuende Junge ist auch nicht 9, sondern fast 90 Jahre alt….
Aber zumindest spricht er schwedisch!
Wie wird Agneta reagieren? Wagt sie es, dort zu bleiben und sich auf das französische Lebensgefühl einzulassen? Und was hält Magnus eigentlich von dem neuen Leben seiner sonst so zuverlässigen Frau?
Ein turbulenter Roman, der die LeserInnen in die malerische Provence entführt. Ein bisschen frech, ein bisschen frivol und auf jeden Fall eine sehr unterhaltsame Sommerlektüre.

Norton Graham: Ein Ort für immer

Der irische Autor Graham Norton hat sich im Laufe der Jahre zu einem meiner Lieblingsautoren entwickelt.
Auch wenn in seinen Büchern gern Polizisten vorkommen, so würde kein Buchhändler seine Romane in die Krimiabteilung räumen.
Sein neues Buch fängt recht tragisch an.
Carol, Ende 40 und geschieden, findet spät zu ihrer zweiten großen Liebe.
Declan ist wesentlich älter als sie, seine Frau ist vor vielen Jahren aus seinem Leben verschwunden.
Leider verliert Carol Declan nach nur wenigen Jahren der Zweisamkeit an die heimtückische Demenz. Declan muss in ein Pflegeheim.
Sein geliebtes Haus wollte er nie verkaufen, doch genau das werden seine beiden erwachsenen Kinder sofort tun. Und setzen Carol kurzerhand vor die Tür.
Carol zieht wieder zu ihren wohlhabenden Eltern, die den Kummer ihrer Tochter nicht ertragen können und das Haus in der Stable Row heimlich für sie kaufen.
Die patente Moira nimmt ihre erwachsene Tochter Carol quasi an die Hand und will sofort mit einer Grundrenovierung beginnen.
Im Keller hat es einen Wasserschaden gegeben, es riecht ganz furchtbar und die beiden entdecken eine, nachträglich eingebaute, Zwischenwand.
Hinter dieser steht eine verschlossene Gefriertruhe…
Mehr möchte ich zur Handlung nicht verraten. Verspreche Ihnen aber ein grandioses Lesevergnügen. Insbesondere die fast 80jährige Moira bestimmt die Handlung der zweiten Hälfte dieses Romans. Carol ist sprachlos über die Kaltblütigkeit ihrer Mutter und gleichzeitig beeindruckt, wie Moira es schafft, jedes Problem, wenn auch mit fragwürdigen Mitteln, zu lösen.
Ein spannendes, tragisches, amüsantes und sehr irisches Buch!

Lisa Quentin: Ein völlig anderes Leben

Der Debütroman von Lisa Quentin hat mich wirklich beeindruckt.
Jules Mutter stirbt. Die beiden hatten ein schwieriges Verhältnis, Jules Fragen nach der Vergangenheit wurden von Anke immer abgeblockt.
Als Jule nun die Wohnung ihrer Mutter auflösen muss, findet sie einen versteckten Umschlag, die Papiere darin deuten darauf hin, dass sie adoptiert wurde.
Jule fällt in ein tiefes Loch.
Sie stellt ihre komplette Vergangenheit in Frage und hat doch niemanden mehr, den sie fragen könnte. Sowohl ihr Vater als auch ihre Schwester sind spurlos verschwunden.
Mithilfe ihrer einzigen Freundin schafft sie es, sich aufzuraffen und nach ihrer leiblichen Mutter zu suchen.
Es stellt sich heraus, dass Jule, die in Rostock geboren wurde, zu DDR-Zeiten zwangsadoptiert wurde. Nur mit Mühe kann sie den Namen ihrer Mutter in Erfahrung bringen.
Wer ist diese Frau, kann den beiden eine Annäherung gelingen und was hat zu den Umständen der Zwangsadoption geführt?
Ein ungemein spannendes Buch, dass sich an historischen Fakten orientiert.
Sehr einfühlsam arbeitet die Autorin dieses schwierige Thema auf, das so viele tausend Menschen jenseits und diesseits der Mauer bis heute unmittelbar betrifft.

Maxim Leo: Wir werden jung sein

Vier ganz unterschiedliche Menschen sind Teilnehmer einer medizinischen Studie der Berliner Charité. Sie alle leiden an Herzschwäche, doch nach einem Jahr stellt sich ganz allmählich eine Besserung ein. Und nicht nur das, auch ihr biologisches Alter hat sich verändert.
So ist da Werner, der achtzigjährige despotische Unternehmer, der eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen hat und nun wieder vergnügt auf dem Golfplatz Bälle schlägt.
Die Begeisterung seiner Erben hält sich angesichts dieser Verjüngung allerdings arg in Grenzen...
Dann ist da Verena, Mitte dreißig, ehemalige zweifache Olympiasiegerin, die bei einem Schaukampf von Ex-Schwimmstars, völlig unerwartet und völlig unbeabsichtigt einen Weltrekord schwimmt!
Die Sportwelt und die Öffentlichkeit sind erschüttert, Dopinguntersuchungen werden angeordnet, letztendlich muss sich der Forschungsleiter der Charité erklären.
Die Lobbyisten der Schönheitsindustrie fordern einen sofortigen Stopp der Studie, die Rentenkassen warnen vor einem Kollaps des Systems, die Philosophen stellen die wichtige Frage, ob das Medikament letztendlich nur an reiche Menschen verabreicht würde.
Maxim Leo schreibt klug und witzig über die ethischen und gesellschaftlichen Fragen, die sich stellen, wenn die Menschheit das Alter besiegen würde.
Auch in diesem Buch hat mich die Mischung aus Humor und Tiefgang begeistert.
Leos letztes Buch „Frankie“ war schon mein Lieblingsbuch im vergangenen Frühjahr!
Ich kann die Bücher von Maxim Leo nur empfehlen!

Rebecca F. Kuang: Yellowface

June ist Bestsellerautorin.
Problematisch ist nur: sie hat das gefeierte Buch gar nicht geschrieben. Was ist passiert?
June und Athena kennen sich bereits aus College-Zeiten.
Beide haben in Yale Literatur studiert, Athena ist schnell mit ihren Büchern äußerst erfolgreich geworden, während June in der Verlagswelt nicht wirklich Fuß fassen konnte.
Die beiden jungen Frauen sind lose befreundet geblieben und June ist anwesend als Athena bei einem tragischen Unglück stirbt. Sie versucht zu helfen, aber es ist zu spät.
Allerdings besitzt sie die Kaltblütigkeit, Athenas neuestes Manuskript an sich zu nehmen.
Es ist noch mit der Maschine getippt, es gibt also keine digitalen Spuren.
June überarbeitet den Text und übergibt ihn dann einem Literaturagenten.
Und tatsächlich versuchen sich die renommierten Verlagshäuser gegenseitig zu überbieten, um den brillanten Roman veröffentlichen zu können.
June wird eine wohlhabende junge Dame, aber der Preis ist hoch, denn niemand darf jemals erfahren, dass nicht sie die Autorin ist.
In Zeiten von Socialmedia eine echte Herausforderung!
Wer wissen will, welchen Weg ein Manuskript nimmt, welche Fäden im Hintergrund gezogen werden, um einen Bestseller zu lancieren – der sollte „Yellowface“ definitiv lesen.
Ein ungemein spannender Blick in die Verlagswelt, aber auch in menschliche Abgründe.

Anja Jonuleit: Kaiserwald

1998 ist Penelope acht Jahre alt, als ihre Mutter in Riga spurlos verschwindet.
Fortan wird das Mädchen bei den Großeltern im Allgäu aufwachsen.
Durch ihre Lebensgeschichte und ihr fotografisches Gedächtnis, ist sie den anderen Kindern im Dorf suspekt und bleibt eine Außenseiterin. Die Sehnsucht nach der Mutter bleibt, die Fragen, die Penelope stellt, können einfach nicht beantwortet werden.

Doch auch Penelopes Mutter Rebecca erzählt in diesem Buch ihre Geschichte.
Erfahren wir dadurch, ob sie noch lebt, vielleicht einen Liebhaber hatte oder Opfer eines Verbrechens wurde?

Im Jahr 2023 versucht die junge Ex-Soldatin Mathilda in Berlin Kontakt zur Diplomatenfamilie Prokhoff herzustellen.
Der Grund dafür bleibt zunächst unklar.
Es beginnt ein gefährliches Spiel um verdeckte Verbrechen und falsche Identitäten.
Besonders der Aufenthalt der Familie in Riga im Jahr 1998 interessiert Mathilda...
Das Buch ist dramatisch und geheimnisvoll. Ich habe es atemlos gelesen, obwohl es tatsächlich kein Krimi ist. Die unterschiedlichen Erzählperspektiven sorgen für echte Spannung.
Beste Lektüre für trübe Tage!

Elizabeth Strout: Am Meer

Die zuletzt erschienen Bücher von Elizabeth Strout habe ich nicht gelesen. Warum eigentlich?
Denn ihr neuer Roman hat mich tief beeindruckt.
Er trägt den harmlosen Titel „ Am Meer“ .
Ganz leichtfüßig zieht Elizabeth Strout die LeserInnen von Anfang an in den Bann.
Nach den ersten Seiten ahnen wir schnell, dass sie hier eine Thematik behandelt, mit der wir uns eigentlich nicht beschäftigen möchten und müssen trotzdem weiterlesen.
Worum geht es?
Lucy Barton erzählt uns ihre Geschichte, die im März 2020 (!) in New York City beginnt.
Lucy ist Schriftstellerin, noch nicht lange verwitwet. Mit ihrem ersten geschiedenen Mann William, der auch der Vater ihrer erwachsenen Töchter ist, pflegt sie seit vielen Jahren einen sehr freundschaftlichen Umgang.
Beide sind über die Höhen und Tiefen des Lebens des jeweils Anderen auf dem Laufenden und nehmen Anteil daran.
William meldet sich eines Tages im März bei Lucy und drängt sie zu einer Reise.
Er hat ein freistehendes Haus in Maine gemietet, es liegt einsam auf einer Klippe über dem Meer, die Bewohner des kleinen Städtchens sind weit entfernt.
Lucy versteht anfangs den Sinn seiner Einladung nicht, doch William beharrt darauf, dass es äußerst gefährlich sein wird, in New York zu bleiben, denn ein unbekannter Virus hat sich auf seinen Weg durch die Welt gemacht.
William, der Naturwissenschaftler, hat frühzeitig den Ernst der Lage erkannt und hervorragend vorgesorgt, so dass sich die beiden ihren Spaziergängen und ihren Gesprächen widmen können.
Die Wochen und Monate vergehen und Lucy und William haben im Lockdown Muße, sich mit ihrer persönlichen Vergangenheit auseinander zu setzen und auch mit der gegenwärtigen aktuellen amerikanischen Politik.
Denn auch wenn es den Anschein macht, in diesem Roman geht es nicht vorrangig um die Corona-Pandemie.
Es ist die Zeit, in der George Floyd von einem Polizisten umgebracht wird.
Es ist die Zeit, in der die Menschen anfangen zu protestieren.
Es ist die Zeit, in der die Menschen immer schlechter mit ihrem erarbeiteten Lohn zurecht kommen.
Es ist die Zeit, in der das Kapitol gestürmt wird…
Es ist die Zeit, in der privilegierte Menschen wie Lucy und William das Gefühl beschleicht, dass Rassisten und Nazis in ihrem Land die Überhand gewinnen könnten.
Dieser Roman der Pulitzer-Preisträgerin Strout ist thematisch keineswegs überfrachtet und wirklich meisterhaft geschrieben.
Die Autorin schafft es hervorragend, die Verbindung zwischen persönlichen Sorgen und Ängsten und dem Großen und Ganzen der Gegenwart zu beschreiben.
Die Aktualität, nicht nur auf die Vereinigten Staaten bezogen, ist erschreckend.
Bitte lesen Sie dieses grandiose Buch!

Tríona Walsh: Schneesturm

Passend zum aktuellen bergischen Wetter Mitte Januar möchte ich den Krimi „Schneesturm“ vorstellen.
Die Geschichte spielt auf der irischen Insel Inishmore und die dortigen Schneeverhältnisse haben tatsächlich noch einmal eine ganz andere Qualität.
Worum geht es?
Die ortsansässige und einzige Inselpolizistin Cara freut sich auf ein Wiedersehen mit ihren 5 besten Freunden aus Jugendzeiten. 3 von ihnen reisen extra zu dem Treffen an, sie haben die letzte Fähre zur Insel erwischt, danach wird jeglicher Verkehr mit der Außenwelt wetterbedingt erst einmal unterbrochen.
Cara lebt mit ihren Kindern bei der Großmutter. Ihren Ehemann hat sie vor 10 Jahren bei einem Bootsunglück verloren. Durch ihren Beruf als Polizistin und durch ihre mangelnden Kenntnisse der irischen Sprache, wird sie von den Inselbewohnern immer mit Argwohn betrachtet.
Glücklicherweise hat sie in Maura, der hiesigen Grundschullehrerin, eine wunderbare Freundin gefunden.
Doch unerklärlicherweise taucht Maura zum abendlichen Treffen der Gruppe nicht auf.
Am nächsten erfährt Cara, dass ein Mensch im Sturm von den Steinklippen gestürzt ist.
Wir ahnen es: es handelt sich um Maura.
War es ein Unfall oder Mord?
Cara weiß, dass sie auf sich allein gestellt ist, niemand vom Festland kann ihre Ermittlungen unterstützen. Und nachdem sie festgestellt hat, dass Maura ermordet wurde, ist eine Tatsache klar:
Der Mörder muss sich noch auf Inishmore befinden.
Wer sollte Grund haben, die allseits beliebte Lehrerin zu ermorden?
Ein Einheimischer? Oder sind Caras alte Jugendfreunde involviert?
Das Misstrauen zwischen den 5 Freunden wird immer größer. Sind sie nun selbst bedroht?
Steht der Mord vielleicht sogar mit dem Tod von Caras Ehemann zehn Jahre zuvor im Zusammenhang?
Cara lässt nicht locker und so tauchen wir mit ihr in die verschneite, sturmumtoste irische Inselwelt ein und verfolgen, wie sie Puzzlestück für Puzzlestück langsam zusammen setzt.
Ein klassischer britischer Krimi, spannend, nicht blutrünstig, aber dafür mit ganz viel Lokalkolorit.
Perfekt für einen verschneiten Tag auf dem Sofa und einer guten Tasse Tee!

Alexander Neil: Die geheimnisvollen Briefe der Margaret Small

Margaret ist 75 Jahre alt und ein fröhlicher und zufriedener Mensch.
Sie lebt allein in einer kleinen Wohnung irgendwo in England.
Mit ihren eigenen Worten erzählt sie uns ihre erstaunliche und erschütternde Lebensgeschichte.
Was ist der Anlass dafür?
Margaret bekommt selten Post, doch auf einmal erhält sie Briefe. Sie sind kurz und jeder Umschlag enthält einen Geldschein. Unterschrieben sind sie nur mit dem Buchstaben C.
Nun ist es aber so, dass Margaret gar nicht lesen kann. Ihren Sozialbetreuer möchte sie nicht um Hilfe bitten und so helfen erst einmal die netten Verkäufer in ihrem Lieblingssupermarkt aus.
Margaret beginnt zu rätseln. Welche Menschen mit einem Vornamen mit C haben in ihrem Leben eine Rolle gespielt? Und warum schickt diese Person Geld? Und warum jetzt?
Ihre mühsam erarbeitete Alltagsroutine gerät völlig aus den Fugen und sie muss sich (endlich) mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen.
1947 ist sie 7 Jahre alt und lebt bei ihrer Großmutter. Ihre Mutter ist tot und die Oma muss sich zwangsläufig um das kleine Mädchen kümmern. Irgendwann muss sich Margaret einem Test der Schulbehörde unterziehen. Nach einer falsch beantworteten Frage wird beschlossen, dass das Mädchen, angeblich, massiv lernbehindert ist. Noch am gleichen Tag erfolgt der Umzug in eine geschlossene Anstalt. Margaret wird ihre Großmutter nie wieder sehen und hören.
Sie wird Jahrzehnte ihres Lebens in diesem Haus verbringen und es viele Jahre lang gar nicht verlassen.
Wir werden mit ihr rätseln, wer die/der geheimnisvolle Briefeschreiber/in sein kann, denn tatsächlich kommen mehrere Menschen in Betracht.
Und endlich vertraut sie sich ihrem Sozialhelfer Wayne an, der alles daran setzt, Margarets Vergangenheit aufzuklären.
Mein Fazit:
Wie mit Menschen, die nicht der „gesellschaftlichen Norm„ entsprachen in der Vergangenheit umgegangen wurde, lässt uns Leser sehr nachdenklich und durchaus erschüttert zurück.

Und gleichzeitig auch versöhnt, denn Margaret ist einfach eine großartige Person, die nie wirklich mit ihrem Schicksal gehadert hat und der zum Ende ihres Lebens noch wunderbare Dinge passieren werden, die man ihr von ganzem Herzen gönnt.

Inspiriert wurde der Autor Neil Alexander zu dieser Geschichte durch seine Arbeit mit lernbehinderten Menschen.

Mechthild Borrmann: Feldpost

Kassel im Jahr 2000: Die junge Anwältin Cara hat zwischen den Jahren frei und gönnt sich eine kurze Auszeit im Café.
Eine etwas konfus wirkende ältere Dame setzt sich zu ihr, verwickelt sie in ein Gespräch und verschwindet schließlich ohne Abschied. Allerdings hat sie ihre Einkaufstasche stehen lassen. Die Tasche beinhaltet alte Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg und einen unleserlichen Kaufvertrag über den Verkauf eines Hauses aus dem Jahr 1937.
Caras Neugier als Anwältin ist geweckt.
Sie liest die ergreifenden Liebesbriefe und macht sich auf die Suche nach den Absendern.

Kassel im Jahr 1935:
Die gutbürgerliche Familie Kuhn lebt mit den zwei Kindern Albert und Adele in einer schönen Villa in Kassel. Mit dem nationalsozialistischen Regime sind sie nicht einverstanden. Vater Gerhard hat noch nicht erkannt, dass es nicht mehr sicher ist, immer und überall seine Meinung zu sagen.
Das Gefängnis lässt folglich nicht lange auf sich warten.
Somit ist auch das Schicksal seiner Firma und seiner Familie besiegelt.
Sein langjähriger Freund Hermann, mittlerweile hohes NSDAP-Mitglied, versucht zu helfen.
Sein Sohn Richard ist seit Kindertagen eng mit Albert und Adele befreundet und so nimmt die Familie dankbar Hermanns Hilfe an.

Im Jahr 1937 wird Gerhard mit seiner Frau nach Frankreich fliehen. Die halbwegs erwachsenen Kinder bleiben in Deutschland zurück, die Villa der Familie ist zu einem kleinen Preis in den Besitz von Hermann übergegangen.

Cara macht im Jahr 2000 den Sohn Richard ausfindig, der sehr emotional auf den Fund der Feldpostbriefe reagiert. Denn niemand anderer als er hat diese Briefe vor Jahrzehnten geschrieben und ist immer davon ausgegangen, dass sie den Adressaten auch erreicht haben.

Im Laufe ihrer Nachforschungen erfährt Cara immer mehr über die dunklen Zeiten der Familie Kuhn und der Stadt Kassel. Doch am allermeisten berührt sie die tragische Geschichte, die sich hinter den wunderschön verfassten Liebesbriefen versteckt.

Mechthild Borrmann hat schon mit ihren Büchern „Der Geiger“ und „Das Trümmerkind“ einen
tiefen Eindruck bei mir hinterlassen.
Auch in „Feldpost“ zeigt sie wieder, wie tragisch die deutsche Geschichte Einfluss auf das Leben vieler Menschen genommen hat und dass die Konsequenzen bis in die Gegenwart reichen.

Spannend wie ein Krimi, mitreißend und emotional!

Ellen Sandberg: Keine Reue

Barbara und Gernot – eine Anwältin und ein Journalist.
Kennengelernt haben sich die beiden in den 70er Jahren, während ihrer Studentenzeit, als beide im selben besetzten Haus lebten. Aus ihrer Sympathie für die Ideen der RAF wurde im Laufe der Zeit mehr und beide unterstützten die Terrororganisation und ihre Nachfolgegeneration unauffällig und für viele Jahre.
Barbaras Eltern, wohlhabende Firmeninhaber, sterben früh und hinterlassen ihrer, in Ungnade gefallenen, Tochter unerwartet ein großes Vermögen. Zuerst will Barbara das Erbe ausschlagen, denn Geld anzunehmen, das auf dem Rücken von Zwangsarbeitern erwirtschaftet wurde, entspricht nicht ihren Idealen.
Aber was soll´s? Eigentlich sind teure Autos und ein luxuriöser Lebensstil nicht zu verachten, findet vor allem Gernot.
Zudem haben die beiden mittlerweile 3 Kinder bekommen, die irgendwie groß werden, das Motto lautet antiautoritäre Erziehung und Barbara wollte sowieso nie Kinder haben, sie sind ihr schlicht relativ gleichgültig.

Mittlerweile sind die beiden kurz vor dem Rentenalter, leben in Stuttgart und langsam geht ihnen das Geld aus, denn sie haben viele Jahre über ihre Verhältnisse gelebt.
So nimmt Barbara nach langer Zeit mal wieder Kontakt zu ihren Kindern auf und versucht, sich Geld zu leihen.
Man ahnt schon wie die Antwort lauten wird: Warum sollten wir EUCH Geld leihen?

An dieser Stelle nimmt der Roman endgültig an Fahrt auf.
Barbara und Gernot lassen alte Kontakte zur dritten Generation der RAF aufleben, denn sie wissen, es muss noch Barvermögen vorhanden sein. Und daran wollen sie teilhaben!

Gleichzeitig wird der älteste Sohn Ben in einen Überfall verwickelt, an den er sich aber, zum Ärger der Polizistin Charlotte nicht detailliert erinnern kann.
Es stellt sich heraus, dass Ben einige Gedächtnislücken und auch Albträume hat, die meisten davon beziehen sich auf seine Kindheit.
Was ist zum Beispiel aus seinem Onkel Lukas geworden, der zuletzt als Chauffeur bei einem Politiker beschäftigt war? Dieser Politiker wurde übrigens Opfer eines Bombenanschlags...
Ben muss untertauchen und sich seinen Dämonen stellen.
Derweil sich seine Eltern immer mehr in ihren dubiosen Plänen verlieren.
Ein hochspannender Roman!
Die Geschichte der RAF und die unruhigen und unsicheren 70er Jahre werden aufgearbeitet und gleichzeitig verknüpft mit der Familiengeschichte von Barbara, Gernot und ihren Kindern.
Ellen Sandberg zeigt auf, wie weit die Schatten der Vergangenheit in die Gegenwart reichen.
Bislang hatte ich noch nichts von dieser Autorin gelesen.
Ich kann nur sagen, ich freue mich schon sehr auf ihr nächstes Buch!

Ernest van der Kwast: Der perfekte Mann

Als Erstes möchte ich darauf aufmerksam machen, dass dieses Buch von einem Mann (!) geschrieben wurde. Was aber wahrscheinlich nichts an der Tatsache ändert, dass es zumeist von Frauen gelesen wird, die sich neue Erkenntnisse über die Spezies Ehemann versprechen.
Der niederländische Autor Ernest van der Kwast hat mich mit diesem Buch überrascht. Seine in Deutschland erfolgreichsten Bücher „5 Viertelstunden bis zum Meer“ und die „Eismacher“ spielten hauptsächlich in Italien und sind eher nachdenklicher Natur.
Obwohl auch „ Der perfekte Mann“ zum Nachdenken anregt...

Doch worum geht es eigentlich?
Peter und Kee leben mit ihren beiden kleinen Jungs in Rotterdam.
Peter ist Kunsthistoriker und ausgewiesener Rembrandt-Experte, seine Frau arbeitet als Illustratorin.
Ihre Ehe befindet sich in einer schwierigen Phase. Die beiden sind an dem Punkt angelangt, an dem sie darüber diskutieren, ob sie noch diskutieren oder einfach nur eine komplett absurde Unterhaltung führen.
Dass Kee von ihrer kompletten Familie an einer Tankstelle vergessen wird, ihr Mann nicht ans Handy geht, und überhaupt nicht merkt, dass seine Frau fehlt, macht die Situation nicht besser.
Erst als Peter seine Anstellung im Museum verliert, ändert sich seine Sichtweise auf die Welt.
Seiner Frau Kee hat er nichts von der Kündigung erzählt, er bleibt einfach unbemerkt zu Hause, Kee ist arbeiten, die Kinder in der Schule.
Und dann steht auf einmal Dschemine vor seinem Bett.
Dschemine kommt seit Langem zum Putzen, Waschen und Bügeln von Peters Hemden.
Und bis zu dem Augenblick, in dem sie vor seinem Bett steht, wusste Peter nichts von ihrer Existenz……
Auch Dschemine befindet sich in einer Lebenskrise und Peter wird endlich gezwungen, seine Augen von Rembrandt abzuwenden und sich den Menschen in seiner Umgebung zu widmen, denn Dschemine ist auf seine Hilfe angewiesen.
Van der Kwast hat in diesem Buch einen großartigen Sinn für Situationskomik bewiesen – ohne den Ernst des Lebens aus den Augen zu verlieren. Seine Protagonisten sind sympathisch und tatsächlich nicht überzeichnet.
Ein tolles Lesevergnügen, hart an der Realität, humorvoll und komisch.
Und es sollte definitiv von Frauen UND Männern gelesen werden!

Jonatha Coe: Middle England

Und schon wieder möchte ich Ihnen ein Buch eines großartigen britischen Schriftstellers vorstellen.
Jonathan Coes Bücher sind, nach meinem Geschmack, in deutscher Sprache ein wenig unterrepräsentiert, was ich persönlich sehr schade finde, denn sein Blick auf die britische Gesellschaft ist überaus scharfsinnig, informativ und unterhaltsam.

„Middle England“ spielt nicht nur räumlich in der Mitte Englands, auch die Protagonisten sind in der Mittelschicht der englischen Gesellschaft zu finden.

Benjamin, Mitte 50, hat sich in eine alte Wassermühle auf dem Land zurückgezogen. Er kann sich den Luxus erlauben, hier in Ruhe seinen Roman (den wahrscheinlich nie jemand lesen wird) zu vollenden. Ansonsten übt er sich in Gelassenheit, die politischen Turbulenzen im Jahr 2010 ignoriert er geflissentlich.
Seine Nichte Sophie, studierte Literaturwissenschaftlerin, hat hingegen den Mann ihres Lebens gefunden, heiratet ihn (obwohl sie nie heiraten wollte ) und fragt sich recht schnell, ob es sein kann, dass sie in eine fremdenfeindliche und rassistische Familie eingeheiratet hat.
Dann ist da noch der Journalist Doug, Benjamins Schulfreund. Er hat reich geheiratet, lebt in einer großen Villa in Chelsea und versucht, im Gegensatz zu seinem Freund, noch irgendwie den Politikbetrieb zu verstehen.
Eine seiner ersten Leserinnen ist immer seine 14jährige Tochter Coriander. Sie treibt sich gerne, unbemerkt von ihren Eltern, auf Demonstrationen gegen die aktuelle Regierung, die Polizei, Rassismus etc. herum.
Als ihr Vater sie nach ihrer Meinung zu seinem neuesten Artikel fragt, antwortet sie, wie es nur Teenager können: „Na ja, es ist eben genau die Art von Text, die man von jemandem erwartet, der so lebt wie du.“
Ihr Vater fragt sie entsetzt, was sie damit meine.
Antwort: „ Du solltest öfter rausgehen“...

Wenn Sie, liebe LeserInnen, also Lust haben, einen Blick ins Herz der britischen Gesellschaft zu werfen, die im Jahr 2010 dabei ist, unter David Cameron, auf den Brexit zuzusteuern:
Hier ist das passende Buch für Sie!

Um den „Economist“ zu zitieren: „Ein mitreißendes Buch zur Lage der Nation“.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen und darf einfach viel Freude bei intelligenter Lektüre wünschen!

Cesca Major: Und morgen für immer

Ich bin der festen Überzeugung, dass es (fast nur) britischen SchriftstellerInnen wirklich meisterhaft gelingt, Bücher zu schreiben, bei denen die LeserInnen schon am Anfang ahnen, dass die Geschichte eventuell kein gutes Ende nehmen wird und trotzdem will und muss man weiterlesen!
Genauso ist es mir mit diesem Roman von Cesca Major, einer mir bislang unbekannten Autorin, gegangen.
Emma lebt mit Ehemann Dan und zwei Kindern in London.
Sie ist eine vielbeschäftigte Literaturagentin und die sozialen Medien und ihr Handy bestimmen mittlerweile völlig ihr Leben und somit auch das ihrer Familie.
Und so vergisst Emma zum zweiten Mal hintereinander ihren Jahrestag. Ihr Mann Dan ist darüber sehr traurig und verärgert. Statt einen romantischen Abend miteinander zu verbringen, streiten sich die beiden und Dan stürmt irgendwann mit dem Hund aus dem Haus.
Emma hört kurz darauf einen fürchterlichen Knall und Sirenen. Das Schlimmste ist passiert:
Dan ist bei einem Unfall ums Leben gekommen und Emmas Welt bricht auseinander.
Doch am nächsten Morgen wird sie wach, es ist wieder Montag, der 3. Dezember, Dan liegt neben ihr - er lebt!
Und ab jetzt wird Emma diesen Tag immer wieder erleben. Es ist ihre Chance, ihre große Liebe zu retten und ihr Leben zu ändern.
Ist es langweilig immer über denselben Tag zu lesen? Nicht eine Minute lang!
Fiebert man dem Ende entgegen? Auf jeden Fall!
Eine wirklich bewegende, mitreißende und auch durchaus humorvolle Liebesgeschichte.
Eine klare Empfehlung für LeserInnen von Jojo Moyes, David Nicholls oder Rosie Walsh.

Jarka Kubsova: Marschlande

Jarka Kubsova haben wir mit ihrem wunderbarem Debütroman „Bergland“ kennengelernt.
Auch in „Marschlande“ ist das bäuerliche Leben wieder ein Thema.
Zwei starke Frauen stehen im Mittelpunkt dieses Romans.
Britta ist mit ihrer Familie aus dem lebhaften Hamburg in ein kleines Dorf in Friesland gezogen.
Der schicke funktionale Neubau gibt ihr kein wirkliches Zuhausegefühl, auch nach Monaten sind einige Umzugskisten immer noch nicht ausgepackt.
Stattdessen streift Britta immer öfter durch die einsame Landschaft. Auf einem ihrer Wege fällt ihr ein Straßenschild mit dem Namen „Abelke-Bleken-Ring“ ins Auge. Aus Neugier beginnt sie zu recherchieren und versinkt immer mehr in Abelkes Geschichte.
Und hier kommen wir zum zweiten Strang des Romans.
Abelke hat im 16. Jahrhundert genau dort im Marschland gelebt. Als einziges Kind erbte sie den elterlichen Hof. Geheiratet hat sie nie, sondern den Hof ganz alleine bewirtschaftet und das sehr erfolgreich. Das rief natürlich viele Neider auf den Plan und irgendwann begann die Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, der Beginn einer Hetzjagd.
Je mehr Britta sich mit Abelkes Geschichte vertraut macht, desto mehr Parallelen findet sie in der Gegenwart. Ihre Tochter wird in der neuen Schulklasse massiv gemobbt und Britta ist nicht länger bereit, sich den Lebensträumen ihres Ehemannes anzupassen. Sie steht an einem Scheideweg in ihrem Leben.
Die Geschichte dieser beiden Frauen hat mich sofort gepackt. Kubsovas Landschaftsbeschreibungen sind nicht einen Augenblick lang langatmig, sondern ein wichtiger Bestandteil ihrer Erzählung. Die Atmosphäre der friesischen Landschaft, die Einsamkeit der beiden Frauen und ihre Versuche trotzdem „ihre Frau zu stehen“ - kurzum ein faszinierender Roman.

Shelley Read: So weit der Fluss uns trägt

Ende der 1940er Jahre in einem abgeschiedenen Tal in Colorado.
Die 17jährige Victoria hat früh ihre Mutter verloren und kümmert sich alleine um Vater, Bruder und kranken Onkel.
Die Familie betreibt erfolgreich eine Pfirsichplantage, doch glücklich ist niemand in diesem Farmhaus. Der Vater ist seit dem Verlust der Ehefrau ein gebrochener Mann und Victorias jüngerer Bruder Seth macht mit seinen Bösartigkeiten seinen Mitmenschen das Leben noch schwerer. Victoria führt also ein recht trostloses Leben bis zu dem Tag, an dem sie Wil Moon trifft.

Wil ist ein freiheitsliebender Wanderarbeiter und indianischen Ursprungs. Die beiden jungen Menschen wissen: sie haben ihren Seelenverwandten gefunden. Doch wir ahnen bereits, dieser zarten Liebesgeschichte ist kein Glück beschieden.
Um nicht zu viel zu verraten: Victoria wird alleine in die Wildnis fliehen und einsame Monate in den winterlichen Rocky Mountains verbringen. Sie kämpft ums Überleben und um das ihres ungeborenen Kindes.

Gleichzeitig stehen auch im Tal große Veränderungen an. Der Fluss, der seit Jahrtausenden durch das beschauliche Tal fließt, soll aufgestaut werden und somit Dörfer und Lebensgrundlagen der Einwohner zerstört werden.

Shelley Read lebt in Colorado und die Liebe zu ihrer Heimat spricht aus jeder Zeile ihres Buches. Es ist umso spannender, als dass die Überflutung durch den Gunnison River tatsächlich stattge-
funden hat und das Leben der Bewohner grundlegend verändert hat.
Eine Geschichte über die tiefe Liebe zur Natur, über eine starke Frau und eine grandiose Liebesgeschichte, die zutiefst berührt.
Mir persönlich hat dieses Erstlingswerk noch besser gefallen als der „Gesang der Flusskrebse“ und ist für mich eines der schönsten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe!

Bettina Storks: Die Kinder von Beauvallon

Bettina Storks hat in diesem Roman ein vergessenes Stück Zeitgeschichte aufgearbeitet.
Auch in Südbaden wurden 1940 jüdische Mitbürger deportiert.
Darunter die kleine Lily. Auf Umwegen wird sie, ohne ihre Eltern, nach Frankreich gelangen, in den kleinen Ort Beauvallon.
Die 2000 Dorfbewohner verstecken, ohne großes Aufheben, 1500 jüdische Flüchtlinge, die meisten Kinder wie Lily, die in Beauvallon sogar zur Schule gehen können.
1965 versucht eine junge deutsche Journalistin mehr über diese Geschichte zu erfahren. Denn Lily war in Kindertagen ihre beste Freundin und Agnes hat sie nie vergessen.
Allerdings ist sie immer davon ausgegangen, dass auch Lily die Deportation nicht überlebt hat.
Ist es vielleicht möglich, dass die Freundin noch am Leben ist?

Agnes reist nach Frankreich und lernt viele Menschen und Lebensgeschichten kennen.
Doch ist die noch junge BRD bereit sich mit dieser Geschichte auseinander zu setzen?
Zumal die Informationen von einer jungen Frau zusammen getragen wurden, denn auch die Emanzipation steckt 1965 natürlich noch in ihren Kinderschuhen.
Ich fand es gelungen und authentisch, dass die Autorin den Erzählstrang gar nicht in die Gegenwart zieht, sondern hauptsächlich in den sechziger Jahren bleibt.
Eine Geschichte über Freundschaft, Verdrängen, Lügen und Neuanfang.
Die Charaktere des Buches berühren umso mehr, weil es sich um eine wahre Geschichte handelt.
Lily ist übrigens die zweite von rechts auf dem Cover des Buches…

Freida McFadden: Wenn sie wüsste

Millie braucht dringend einen Job. Den letzten hat sie verloren genauso wie ihre Wohnung.
Seitdem lebt sie in ihrem Auto.
Endlich bietet sich eine neue Gelegenheit für sie. Ein recht wohlhabendes Ehepaar sucht eine Haushälterin und tatsächlich bekommt Millie die Stelle, die mit Kost und Logis verbunden ist.
Dass Millies Lebenslauf gefälscht ist, scheint nicht aufgefallen zu sein.
Denn Millie ist zwar eine wunderbare Haushälterin, aber hat auch die letzten zehn Jahre ihres noch jungen Lebens im Gefängnis verbracht…
Sie kann ihr Glück kaum fassen, auch wenn ihr ihre Arbeitgeberin Nina nicht besonders sympathisch ist und die Dachkammer, in der sie wohnen soll, sogar eher unheimlich ist.
Die neunjährige Tochter Cecelia, die Millie mit betreut, stellt sich als hochgradig verzogenes Kind dar, nur der Ehemann Andrew begegnet Millie offen und freundlich.
Tatsächlich zeigt Nina bald ein anderes Gesicht. Über Nacht verwüstet sie das Haus und beschuldigt anschließend Millie das Chaos angerichtet zu haben.
Die anderen Mütter an Cecilias Schule erzählen Millie irgendwann, dass Nina einige Zeit in der Psychiatrie verbracht hat und allgemein als psychotisch und schwierig gilt.
Doch Millie bleibt nichts anderes übrig als zu bleiben.
Verfällt zu allem Übel auch noch dem Charme des Hausherrn…
Und warum war sie eigentlich im Gefängnis…..?

Sollte jetzt jemand glauben, er wüsste. wohin diese Geschichte führt - sicher nicht!
Die Autorin hat unglaubliche Twists eingebaut, man kann nicht im Entferntesten darauf kommen, was sie im Schilde führt.
Ein Thriller ganz nach meinem Geschmack, ein tolles Puzzlespiel, unvorhersehbar - und mit einem grandiosen Finale.
Viel Spaß beim Lesen, bringen Sie genug Zeit mit, dieses Buch wollen Sie nämlich in einem Schwung lesen!

Malachy Tallack: Das Tal in der Mitte der Welt

Ein Dorf auf den schottischen Shetland Inseln.
Es leben nicht mehr viele Leute in dem kleinen Tal und so unterschiedlich sie sind, so unterschiedlich sind auch ihre Beweggründe, warum sie ausgerechnet diesen Fleck auf der Erde zu ihrer Heimat gemacht haben.
David gehört zu den letzten , die ihr ganzes Leben dort verbracht haben.
Er beginnt jeden neuen Tag mit Dankbarkeit und einem großem Glücksgefühl genau hier leben zu dürfen. Seine beiden Töchter haben das Tal verlassen und Emma hat ihren Freund Sandy
zurückgelassen. Sandy arbeitet viel mit seinem Fast-Schwiegervater David zusammen und den beiden gelingt es recht mühelos, zu einem guten Miteinander zu finden.
Sandy findet in der rauhen Landschaft seine Lebensaufgabe und beginnt sich auf diesen neuen ungeplanten Lebensabschnitt einzulassen.
Dann ist da auch noch die Schriftstellerin Alice. Viel zu früh hat sie ihren Mann verloren und versucht ihre Trauer zu verarbeiten, in dem sie versucht die Chronik des Tals zu verfassen.
Eine kaum zu bewältigende Aufgabe…

Ein leises Buch, das mich ganz langsam in seinen Bann gezogen hat.
Die fein gezeichneten Charaktere, die karge Landschaft – die Geschichte strahlt, genau wie das Tal, eine Ruhe aus, die man in diesen Zeiten selten findet. Ich fand es wunderschön!

Fran Littlewood: Die unglaubliche Grace Adams

Grace Adams will nur eines: Ihr Leben zurück!

Ihr Mann ist ausgezogen, ihre Tochter Lotte, die heute Geburtstag hat, wohnt mittlerweile bei ihm. Und will ihre Mutter an ihrem Geburtstag nicht sehen. Doch Grace will an diesem heißen Sommertag zu ihr. Sie gerät in einen Stau. Und auf einmal ist ihr alles zu viel. Mitten auf der Straße lässt Grace ihr Auto stehen
und macht sich zu Fuß auf den Weg. Sie ist fest entschlossen, ihr Leben umzukrempeln und nicht weiter dabei zu zusehen,
wie alles zerbricht. Sie will Lotte beweisen, dass man auch nach schweren Niederlagen wieder aufstehen kann.
Denn Grace ist unglaublich stark. Sie ist mutig und klug und spricht 5 Sprachen. Und doch hat es ihr in den letzten Jahren fast die Sprache verschlagen, sie muss sich endlich mit der Vergangenheit und der Gegenwart auseinandersetzen.
Ein schonungslos ehrliches Buch über eine Frau von Mitte vierzig.
Eine Frau, die sich mit den altersbedingten Veränderungen ihres Körpers abfinden muss. Eine Frau, die um sich, ihre Familie, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft kämpft.
Einfühlsam, spannend, tragisch und lustig. Ein berührendes Frauenporträt.
Ich ziehe meinen Hut vor Grace Adams!

Gillian McAllister: Going Back

Es ist Samstagnacht, kurz nach Mitternacht. Übermorgen ist Halloween.
An diesem düsteren Oktoberabend mag Jen nicht zu Bett gehen. Ihr 18jähriger Sohn ist noch unterwegs und Jen ist unruhig. Als Todd endlich vor dem Haus auftaucht, hält er abrupt inne. Ein älterer Mann tritt auf ihn zu und Jen muss fassungslos mitansehen, wie ihr Sohn diesen Mann ersticht. Natürlich kommt Todd sofort in Polizeigewahrsam, die ganze unvorstellbare Maschinerie läuft an.
Am nächsten Morgen wacht Jen auf und versucht zu verstehen, was in der Nacht geschehen ist. Sie steht auf, schaut aus dem Fenster und – es nichts mehr vom Tatort zu sehen.
Ihr Sohn kommt verschlafen aus seinem Zimmer und Jen beginnt an ihrem Verstand zu zweifeln.
In den nächsten Stunden wird ihr klar: sie ist nicht am Samstag aufgewacht, sondern einen Tag früher, am Freitag und der Mord ist noch nicht geschehen.
Wer nun glaubt, dass es sich bei diesem Krimi um eine Fantasy-Geschichte handelt, irrt sich.
Wir Leser müssen einfach akzeptieren, dass Jen Tag für Tag und Woche zu Woche weiter zurück in die Vergangenheit gerät. Und nachdem auch Jen diesen Umstand akzeptiert hat, versucht sie alles daran zu setzen, diesen Mord zu verhindern und vor allem herauszufinden, was überhaupt zu dieser Situation geführt hat und wer der Ermordete eigentlich ist.
Auch wenn sich der Plot zunächst kompliziert anhört, der Geschichte lässt sich leicht folgen, sie ist ein grandioses Puzzle.
Echte englische Krimikunst, verblüffend und intelligent aufgebaut.
Ich habe das Buch verschlungen und musste mich immer wieder von unvorhersehbaren Wendungen überraschen lassen.
Spitze!

Jan Weiler: Der Markisenmann

Dies ist die Geschichte der 15jährigen Kim, ihres Vaters und eines heißen Sommers.
Kim erzählt sie aus der Sicht der heute 30jährigen und sie ist trotz des dramatischen Anfangs kein Drama.
Kim lebt mit Mutter, Stiefvater und Stiefbruder in recht feudalen Verhältnissen in Köln. Ihren leiblichen Vater hat sie nie kennengelernt. Sie fühlt sich als absolute Außenseiterin in dieser Familie. An einem Grillabend passiert ein Unglück und zwei Stunden später findet sich Kim in der geschlossenen Psychiatrie wieder.
Nach 6 Wochen wird sie von ihrer Mutter abgeholt und ohne weiteren Kommentar zu ihrem leiblichen Vater geschickt, um dort die Sommerferien zu verbringen.
Ein Schock für Kim!
Sie muss ihren Vater erst mal kennenlernen und damit klarkommen, dass in diesem Sommer nicht Miami das Urlaubsziel ist, sondern der Rhein-Herne-Kanal. Ihr Vater lebt in einem einsamen, verstaubten Industriegebiet in einer Fabrikhalle.
Und lebt davon, Markisen zu verkaufen. Im Haustürgeschäft. Mithilfe einer Strichliste.
Kim ist schnell klar, dieses Geschäftsmodell kann nicht funktionieren. Und das auch, weil die beiden Markisenstoffe, aus alten DDR-Beständen, an Scheußlichkeit nicht zu übertreffen sind.
Vater und Tochter werden in diesem Sommer vorsichtig zueinander finden und zwar auch als geniales Verkäuferpaar.

Wir alle wollen aber wissen: was ist in der Vergangenheit passiert?
Was hat Stiefvater Heiko mit dieser ganzen Markisengeschichte zu tun? Und warum hängt der Lebenslauf von Roland Papen, Kims Vater, unmittelbar von einem Schraubenmodell der DDR ab?

Ich verspreche Ihnen eine spannende, tragische, lustige und herzerwärmende Geschichte.
Das von Jan Weiler beschriebene Lokalkolorit des Ruhrgebiets und seiner Menschen ist unschlagbar!
Roland Papen ist sicher eine der liebenswertesten Buchfiguren, die ich kennenlernen durfte.

Claire Alexander: Und morgen ein neuer Tag

Bitte ignorieren Sie einfach das völlig unpassende Cover dieses Buches!
Und lesen Sie einen großartigen Roman über eine mutige Frau, die ihr Haus seit 3 Jahren nicht mehr verlassen hat.
Meredith bekommt bereits eine Panikattacke beim Gedanken daran, ihre vier Wände verlassen zu müssen. Sie hat sich ihr Leben zu Hause eingerichtet, arbeitet im Home-Office, lässt sich Lebensmittel liefern und schafft es, immer in Beschäftigung zu bleiben.
Psychologische Betreuung erfährt sie online, sie hat Kontakt zu Selbsthilfegruppen und ihr treuer Kontakt zur Außenwelt ist ihre beste Freundin Sadie, die sie seit Schultagen kennt.
Doch warum hat sie seit 3 Jahren nicht mehr mit ihrer geliebten Schwester gesprochen?
Die beiden haben sich in ihrer sehr schwierigen Kindheit immer unterstützt, waren sich gegenseitig ein Fels in der Brandung.
Meredith hat niemandem verraten, was der Grund für ihre Isolation ist.
Ganz langsam ahnen wir, was der Auslöser gewesen sein könnte und begleiten Meredith auf ihrem Weg sich ihren Dämonen zu stellen.
Ihre Geschichte hat mich sehr berührt und beeindruckt.
Auch wenn es zuerst nicht den Eindruck macht: Meredith ist eine Kämpferin!
Und dieser Roman, trotz des Covers, kein bisschen kitschig!

Anthony McCarten: Going Zero

Wie viele Spuren hinterlässt jeder von uns in der digitalen Welt?
Hat man als Einzelner überhaupt eine Chance gegen das System?
Den US-Geheimdiensten reichen die Daten nicht aus, die sie über die ihre Bürger sammeln können. Sie starten zusammen mit dem Social-Media-Mogul Cy ein gemeinsames Projekt. Für das Testverfahren wurden zehn US-Bürger ausgewählt, die 30 Tage Zeit haben, unauffindbar zu bleiben.
Dem Gewinner winken 3 Millionen Dollar Preisgeld.
Oder Cy ein 9 Milliarden Dollar Auftrag der US-Regierung.
Nach dem Startsignal „Going Zero“ beginnt ein atemloser Wettlauf.
Und ausgerechnet die unscheinbare Bibliothekarin Kaitlyn macht den Jägern das Leben schwer. Immer wieder entwischt sie in letzter Sekunde.
Warum ist sie so perfekt vorbereitet und welchen Plan verfolgt sie eigentlich?
Ein topaktueller Verschwörungsroman, der die heutige Gesellschaft und ihren sorglosen Umgang mit persönlichen Daten besser nicht beschreiben könnte.
Ein absolut atemloses Lesevergnügen. Dieses Buch vergisst man (hoffentlich) nicht!

Lucy Fricke: Die Diplomatin

Die deutsche Diplomatin Fred übt ihren Beruf aus Überzeugung aus.
Ihr Ziel Botschafterin zu werden hat sie erreicht, als sie diesen Posten in Montevideo übernehmen darf.
Eigentlich ist im beschaulichen Uruguay nicht viel zu tun für den diplomatischen Dienst, doch ein tragischer Vorfall sorgt dafür, dass Fred nach nur wenigen Wochen nach Deutschland zurückbeordert und degradiert wird. Ein Jahr später darf sie ihr Können als Konsulin in ihrer Traumstadt Istanbul unter Beweis stellen.
Doch genau hier wird sie an ihre Grenzen als Diplomatin stoßen.
Wird sie sie überschreiten, um Menschen aus einer Notlage zu helfen?
Dieser Roman nimmt ganz langsam Fahrt auf. Und wird von Kapitel zu Kapitel spannender.
Diplomatische Verflechtungen mit der Türkei sind das große Thema und lassen den Leser mit den Hauptfiguren bangen.
Ein politischer Roman, der sehr spannend und sehr unterhaltsam ist.
Ich habe ihn tatsächlich an einem Tag gelesen, da ich dem Ende entgegengefiebert habe!

Sarah Winman: Lichte Tage

Ein Roman, der in Oxford spielt und doch so gar nichts mit unserer romantisierten Vorstellung dieser Stadt zu tun hat.
Ellis und Michael sind zwei Jungs aus dem Arbeiterviertel. In lieblosen und schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, werden die beiden zu Freunden und beschließen als junge Männer, die graue Stadt Richtung Frankreichs Süden zu verlassen.
Die Poesie und das Licht der französischen Landschaft lassen sie von einem anderen Leben, fern des britischen Fabrikalltags träumen.
Doch einer der beiden empfindet mehr als Freundschaft für den anderen und so nimmt ihr Leben eine (geahnte) Wendung.
Dann tritt Annie in ihr Leben und das verändert alles und nichts…

Ein zärtlicher Roman über Liebe, Freundschaft, Verzweiflung, Durchhaltevermögen und die Kraft der Kunst.

Jarka Kubsova: Bergland

Im Südtirol der 1940er Jahre bleibt der jungen Rosa nichts anderes übrig als den elterlichen Bauernhof allein zu bewirtschaften. Vater und Brüder sind nicht mehr am Leben und ihr Ehemann kehrt versehrt und als gebrochener Mann aus dem zweiten Weltkrieg zurück.
Der Innerleithof ist der am höchsten gelegene, in einem sehr abgeschiedenen Bergtal.

Die Arbeit ist unfassbar hart, doch Rosa ist die geborene Bäuerin und erarbeitet sich die Bewunderung der Dorfbewohner.
Auch zwei Generationen später kämpfen ihr Enkel und seine Frau um den Erhalt des Hofes und haben sich gleichzeitig dazu entschieden Touristen zu beherbergen.

Franziska hat ihren Beruf als Biologin aufgegeben um sich um Kindern, Haushalt und Touristen zu kümmern. Und obwohl sich die Welt im Laufe der Jahrzehnte so sehr verändert hat, ist Franziskas Belastung, und auch ihre Verzweiflung, ähnlich kräftezehrend wie bei Rosa.

Jarka Kubsova zeichnet ein scharfes Bild des bäuerlichen Lebens der Vergangenheit und auch der Gegenwart. Sehr eindringlich erzählt sie von der Veränderung des dörflichen Lebens im Laufe der Jahrzehnte und vom Verschwinden so mancher liebgewonnener Tradition.

Der Roman lässt die Leser teilhaben an der Freude über den (technischen) Fortschritt und stellt genauso die Nachteile dar.
Sehr fein beobachtet, besetzt mit starken Frauenfiguren, lässt dieser Roman die Leser sehr nachdenklich zurück.

Marc Elsberg: Celsius

Schon wieder hat Marc Elsberg einen fulminanten Science-Thriller geschrieben.
Im chinesischen Luftraum tauchen unvermittelt unbekannte Flugobjekte auf. Die Welt, insbesondere, die USA sind in akuter Alarmbereitschaft.

Will China Taiwan angreifen?

In der sprichwörtlich letzten Minute vor einer verheerenden Eskalation kann eine Klimawissenschaftlerin Entwarnung geben. Zumindest vorerst. Denn China hat keine Kampfdrohnen in den Himmel geschickt, sondern will mit Hilfe dieser Flugobjekte nichts anderes als die Macht über das Weltklima erobern...

Elsberg schickt uns in seinem neuen Roman rund um die Welt.
Vom Weißen Haus in den Himalaya und auch militante Klimaaktivisten in Berlin spielen eine ernstzunehmende Rolle in diesem bedrohlichen Szenario.

Rasant, hochaktuell, superspannend und erschreckend realistisch. Ein echter Pageturner!

Jochen Gutsch und Maxim Leo: Frankie

Frankie und Gold. Ein streunender Kater und ein depressiver Mann.
Das sind die Hauptfiguren des neuen Romans von Jochen Gutsch und Maxim Leo, die schon mit ihrem Titel „Es ist nur eine Phase, Hase“ sehr erfolgreich waren.
Auf einer seiner abendlichen Touren im Dorf wagt Frankie sich sehr nah an das „verlassene Haus“ heran. Von der Fensterbank beobachtet er, dass die Gerüchte stimmen und tatsächlich jemand dort wohnt.
Er sieht einen sehr dicken Faden von der Decke hängen. Den Faden trägt der Mann um den Hals. Frankie macht sich bemerkbar, der Mann erschrickt sich, lässt von seinem Tun ab, jagt aus dem Haus und wirft Frankie irgendetwas an den Kopf.
Tja, und nun?
Gold bringt Frankie ins Haus und ruft den Tierarzt.
Diese Situation nutzt der Kater aus, um Gold klarzumachen, dass Gold erstens jetzt für seine Gesundheit verantwortlich ist und
zweitens. er, Frankie, sprechen kann.
Den beiden bleibt vorerst nichts anderes übrig, als eine Zweckgemeinschaft einzugehen.
Der Roman ist aus Frankies Sicht geschrieben und es großartig zu lesen, wie absurd menschliches Tun in den Augen der Tierwelt wirkt.
Sehr humorvoll und durchaus flapsig geschrieben, wie es sich für einen streunenden Kater gehört, dabei gleichzeitig melancholisch und feinfühlig. Und definitiv nicht nur für Katzenfreunde!!!
Mein Lieblingsbuch im Monat März.

Hans Rath: Jetzt ist Sense

Eigentlich wollte ich zur Abwechslung mal ein simples lustiges Buch lesen.
Humorvoll und skurril ist der neue Roman von Hans Rath in jedem Fall und doch gleichzeitig mit tiefgründigen und philosophischen Passagen.
Worum geht es?
Ein äußerst gutaussehender Mann mit schwarzem Cape und Sense steht vor der Tür der Psychologin Olivia. Irrtümlich hält sie ihn für einen Patienten und Hilfe hat der Mann in Schwarz tatsächlich nötig. Denn er ist Thanatos, der griechische Gott des Todes und hat keine Lust mehr auf seinen Job.
Immer wieder kommt es zu Begegnungen zwischen Olivia und ihm und langsam wird ihr klar, dass sie wahrscheinlich die nächste auf Thanatos Liste ist.
Wird Olivia im Laufe der Geschichte diese Welt tatsächlich verlassen? Oder nimmt sie Thanatos Angebot an und sucht sich einen Ersatz? Es gibt doch so viele schlimme Menschen auf der Welt?
Man merkt: Die Philosophie und die Moralfrage werden hier durchaus ernsthaft behandelt und führen den Leser auf jeden Fall zu dem Fazit:
Leben und Träume sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Wer keine Scheu hat, sich mit dieser Thematik und der griechischen Götterwelt auseinanderzusetzen ist bei Hans Rath bestens aufgehoben.
Keine Angst: das Lachen wird einem bei der Lektüre nicht vergehen!

Josie Silver: Mit dir allein

Cleo steht kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag. Dieses Datum macht ihr durchaus zu schaffen und so nimmt sie gerne einen besonderen Vorschlag ihrer Chefin an.
2 Wochen soll sie auf einer winzigen irischen Insel im Atlantik in einem bezaubernden, aber auch winzigen Cottage verbringen und über ihre Eindrücke schreiben.
Kaum angekommen, muss Cleo feststellen, dass ein Buchungsfehler unterlaufen ist und noch ein weiterer Gast Anspruch auf die Hütte erhebt.
Den beiden bleibt nichts anderes übrig als sich die Bleibe zu teilen und darüber zu streiten, wer das nächste Boot ans Festland nimmt. Nur wird das Wetter immer schlechter und kein Boot ist in Sicht.
Und auch keine andere Unterkunft, denn die Inselbewohner sind nicht auf Besuch eingestellt.
Mein Fazit: Eine romantische Liebesgeschichte gewürzt mit der richtigen Prise britischen Humors und natürlich auch ein bisschen kitschig. Ein wirkliches Lesevergnügen, wenn man Lust auf eine humorvolle Liebesgeschichte hat.

Sarah Pearse: Das Sanatorium

Irgendwo in den Schweizer Alpen.
Ein ehemaliges Sanatorium für Tuberkulose-Kranke ist zu einem Luxushotel umgebaut worden.
Noch vor der Fertigstellung verschwindet der Architekt auf mysteriöse Weise vom Grundstück.
3 Jahre später:
Ein Schneesturm tobt um das Hotel als die Polizistin Elin mit ihrem Freund zur Verlobungsfeier ihres Bruder anreist.
Schon bald sind die Gäste und das Personal hoch oben auf dem Berg von der Außenwelt abgeschnitten.
Und wieder verschwinden Menschen spurlos….

Der Autorin gelingt es unwahrscheinlich gut die Atmosphäre dieser düsteren und bedrohlichen Bergwelt einzufangen. Man fiebert unweigerlich von der ersten Seite mit.
Für mich eigentlich zu spannend! Deshalb mein Fazit:
Hochspannung der Extraklasse und definitiv nichts für schwache Nerven!

Dmitrij Kapitelman: Eine Formalie in Kiew

Der Erzähler ist als 8jähriger mit seinen Eltern aus der Ukraine nach Deutschland ausgewandert.
Nun, mit Anfang 30, hat sich Dmitrij entschlossen doch noch die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen.
Und hier beginnt seine irrwitzige Reise durch deutsche und ukrainische Amtsstuben, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen.
In Kiew angekommen, muss sich Dmitrij erst einmal mit den Gepflogenheiten seines ersten Heimatlandes vertraut machen
und argwöhnt bereits nach kurzer Zeit, dass er die deutschen Fristen wahrscheinlich nicht einhalten kann. Selbst der allseits beliebte Tipp mit Bestechung zu arbeiten hilft erst einmal nicht weiter.
Aber zumindest einen wertvollen Ratschlag seiner Mutter hat Dimitrij aus seiner Kindheit behalten:
In der Ukraine sollte man niemals (!) auf Gullydeckel treten!
Eine Erzählung voller Komik und Tragik, die uns die Menschen und Lebensweise der Ukraine noch einmal näherbringt.
Der grandiose und intelligente Sprachwitz des Erzählers wird Sie großartig unterhalten!

Graham Norton, Heimweh

Ein Unfall, eine falsche Entscheidung. Ein kleines Dorf ins Irland ist seitdem wie gelähmt.
Der Lebensweg vieler Menschen geht in eine andere, als die geplante Richtung.
Graham Norton (Der irische Dorfpolizist) hat ein weiteres kleines Meisterwerk geschrieben
Man liest es atemlos bis zum Ende.

Helga Schubert, Vom Aufstehen

Helga Schubert erzählt in diesem Buch von ihrem Leben in zwei deutschen Staaten. In der BRD weitgehend unbekannt, war sie in der DDR eine Erfolgsautorin. Sie ist geprägt von der Zerrissenheit zwischen Pflichtgefühl und dem Wunsch Familie und Staat zu verlassen. "Vom Aufstehen" ist ein literarisches Kleinod in dem uns die Autorin an ihrem spannenden Leben teilhaben lässt.