»Eier, nicht nur von Hühnern«. Das war der zunächst annoncierte Titel für die no. 26 des Journal Culinaire. In der Formulierung spiegelt sich die traditionelle Wertschätzung von Eiern und die in der älteren Generation bis heute recht tief verwurzelte Geringschätzung von Hühnerfleisch gleichermaßen. Vermutlich nicht nur vor den Toren Münsters werden größere Feierlichkeiten in den frühen (oder nicht so frühen) Morgenstunden - selbst bei der Jugend - gelegentlich mit orgiastischen Eieressen beschlossen. Im Alltag kann ein Spiegelei gerne aus einem halben Dutzend Eiern bestehen, die von der Eierfrau (oder dem Eiermann) jede Woche lagenweise ins Haus geliefert werden. Oma Sefa vom Nachbarhof hinterm Bahndamm, über 90 Lenze und überaus rüstig, wünschte sich, nachdem ihr Mann starb, von ihren sieben Kindern zwei Dinge: wieder ein Schwein, damit sie die Küchenabfälle nicht mehr in der Biotonne entsorgen müsse, und ein Hühnerhaus. Beide Wünsche erfüllten ihre Kinder brav. Das Hühnerhaus ist durchaus solide und die Hühner kratzen im Obsthof jeweils zwei oder drei Jahre, wenn sie nicht zwischendurch von einem Marder oder Fuchs besucht werden. Die Junghennen »Lohmann braun« kommen von einem Aufzuchtbetrieb im Nachbarort. Das Futter stammt weitgehend vom eigenen Hof. Gelegentlich gibt es die Empfehlung für das Beifutter vom Futtermittelberater Michael, Mitglied der monatlichen Doppelkopfrunde. Seither kommen wir regelmäßig in den Genuss von Eiern von Oma Sefas Hühnern (die Kurzformulierung »Oma Sefas Eier« setzte sich familiär nicht durch). Heikel wird es nach wie vor, wenn der Hühner Legeleistung merklich abnimmt. Zwar findet sich ein tapferer Henker. Doch des Tierkörpers mag sich auch auf einem Bauernhof heute niemand mehr so recht annehmen. Gegenläufiges zum Eierkonsum war lange Zeit von den Ernährungsberatenden zu vernehmen: Eier seien wegen ihres Cholesteringehalts wenig zu schätzen, gar eine Gefahr für die Volksgesundheit. Das spülte, wie wir heute wissen, viel Geld in die Kassen der Pharmaindustrie - und führte zu Herzproblemen: nicht bei den notorischen Eierkonsumenten, sondern bei deren Ehepartnern, die in jedem Ei einen potenziellen Sargnagel vermuteten. In der Recherche zur aktuellen Ausgabe drängten sich die Hühner immer wieder ungefragt und unübersehbar in den Vordergrund. Die schiere Menge der jährlich weltweit gelegten Eier, die Frage nach der unglaublichen Steigerung der Legeleistung in den vergangenen sechzig Jahren, der irritierende Blick auf die doppelte Züchtungsperspektive Mast und Eierproduktion, schlussendlich die Frage nach dem Verbleib der Brüder ihrer eierproduzierenden Schwestern: Von Eiern zu sprechen, ohne zugleich Hühner und Hähnchen mit zu bedenken, erschien schnell als nicht sachgerecht. Der Entschluss fiel zügig: »Hühner und ihre Eier« lautet deshalb der Titel des vorliegenden Journal Culinaire No. 26. Das ist auch deshalb angemessen, weil weltweit die Nachfrage nicht nur nach Eiern, sondern auch nach Hühnchenfleisch rasant steigt. Im Frühjahr 2019, im Journal Culinaire No. 28, werden wir uns nochmals allgemein mit Eiern von Ente und anderen Vögeln und auch Fischen beschäftigen.