»Oh Leute, rettet mich vor Gott! Denn Er hat mich mir selbst entrissen und gibt mich mir nicht zurück, und ich kann auf diese Gegenwart keine Rücksicht nehmen, und ich fürchte mich vor der Trennung, dass ich abwesend und Seiner beraubt sein werde.« »Wer zwischen Unglauben und Glauben unterscheidet, ist ungläubig, und wer nicht zwischen dem Ungläubigen und dem Gläubigen unterscheidet, ist auch ungläubig.« »Das Erfassen des Wissens von der Wirklichkeit ist schwer - Das der Wirklichkeit der Wirklichkeit - wie viel mehr! Die Wahrheit liegt hinter der Wirklichkeit. Und die Wirklichkeit diesseits der Wahrheit.« »Wer die Göttliche Wahrheit im Licht des Glaubens sucht, ist wie einer, der die Sonne im Licht der Sterne sucht.« »Diese Deine Diener haben sich versammelt, um mich zu töten, aus Eifer für Deine Religion und um Dir näherzukommen. Vergib ihnen, denn wenn Du ihnen enthüllt hättest, was Du mir enthüllt hast, so täten sie nicht das, was sie tun; und wenn Du mir verhüllt hättest, was Du ihnen verhüllt hast, so würde ich nicht mit dem heimgesucht, womit ich nun heimgesucht werde. Dir gebührt Lob für das, was Du tust, und Dir gebührt Lob für das, was Du willst.« Seit seiner Hinrichtung durch religiöse Fanatiker in Bagdad im Jahr 922 haben Botschaft und Schicksal des persischen SuWs Mansur al-Halladsch nicht auf gehört, die Menschen zu bewegen. Bis in unsere Zeit lauschen Erkenntnissucher, die den Irrweg der Trennung verlassen wollen, seinen ergreifenden Bezeugungen der Einheit Gottes, seinem sehnsüchtigen Rufen nach Vereinigung mit diesem einen einzigen Geliebten und dem aufweckenden Klang seiner teils provozierenden Forderungen nach radikaler Verinnerlichung des Glaubens. Auch wenn seine oft rätselhaften Gedichtzeilen, wie »mein Tod ist in der Religion des Kreuzes«, von der modernen Islamforschung nicht länger als versteckte Bekenntnisse zum Christentum interpretiert werden, zeugen sie von der Tiefe einer mystischen Erfahrung, welche die ¿religiöse Korrekt heit¿ der doktrinären Intoleranz aller Zeiten durchbricht. Für seine berühmte Aussage anäl-Haqq (»Ich bin die schöpferische Wahrheit«) und seine Überzeugungen, wie etwa ein gutes Werk sei wichtiger als die Pilgerfahrt, wurde Halladsch vom frömmlerischen Establishment als Gotteslästerer verurteilt - während doch jeder seiner Verse von seiner aufrichtigen Gottesliebe spricht, in deren Ekstase die Getrennt heit von Ich und Du zwischen Wirklichkeit und Wahrheit verwischt. Die weltbekannte Orientalistin Annemarie Schimmel präsentiert hier die schönsten Texte des Mystikers und Märtyrers sowie eine kenntnisreiche Darstellung seines Lebens und Denkens.