Die Poetik des Experiments

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ISBN/EAN: 9783772085451
Der Verfasser untersucht in seiner Arbeit die dichotome Bedeutungsstruktur des Experimentbegriffs in der Literatur Friedrich Dürrenmatts, die sich dramentheoretisch in einer epistemologischen Dimension und als ethische Kategorie menschlichen Handelns in den Stücken realisiert. Ausgangspunkt ist die Formulierung einer Dramaturgie des Experiments in Dürrenmatts Aufsatz "Theaterprobleme" von 1954, die den Anspruch erhebt, mit Hilfe der dramatischen Kunst Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu erlangen. Der Verfasser weist anhand dramentheoretischer Äußerungen Dürrenmatts sowie eines Abrisses über die erkenntnistheoretische Entwicklung des Experiments in den Naturwissenschaften nach, dass sich für Dürrenmatt im künstlerischen Experiment eine wissenschaftsäquivalente Dimension des Heuristischen verbirgt, die sich im Akt einer autonomen dramaturgischen Methode organisiert. Ferner weist das Handeln seiner Figuren als "planmäßig vorgehende Menschen" experimentelle Züge auf, insofern sie ein hohes Risikopotenzial in Kauf nehmen, das nicht selten zur schlimmstmöglichen Wendung - Dürrenmatts Katastrophenwelt - führt. Dürrenmatts kritische Affinität zu den Naturwissenschaften, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer stärker subjektivistisch geprägt sind und auch theorienunabhängige Experimente als Basis von Erkenntnis zulassen, entfaltet sich in einer defizitären Induktion, da er im Kunstwerk zwar eine provozierte Beobachtung, eine gedankenexperimentelle Erfahrung sieht, diese aber selbst von ihm nicht gedeutet wird. Diese Verfahrensweise besteht in einer weitgehend vorurteilsfreien Annäherung Dürrenmatts an einen Stoff, indem er den Einfall als dramatische Exposition nach der Kategorie einer subjektiven Wahrscheinlichkeit dramaturgisch durchspielt. Zu beschreiben, wie Dürrenmatt in "Sätze über das Theater" sagt, "was wahrscheinlicherweise geschähe, wenn sich unwahrscheinlicherweise etwas Bestimmtes ereignen würde", ist der Kern seiner experimentellen Dramatik, mit deren Hilfe in immer neuen Versuchen Modelle der menschlichen Natur entstehen, die vom Rezipienten interpretiert werden können.

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