Für das alevitische Selbstverständnis lautet eine der zentralen Fragen: Sind Aleviten Muslime oder nicht? Darauf geben Aleviten sehr unterschiedliche Antworten. Einige sehen das Alevitentum als mystische Gemeinschaft, andere verstehen es als das "Wesen des Islam", und wieder andere begreifen es als nicht näher spezifizierte Spielart des Islam. Daneben gibt es aber auch Deutungen, die alevitische Lehre als eigenständige Religion, Lebensweise, Philosophie oder Kultur zu verstehen. Aus den jeweiligen Verständnissen ergeben sich im türkischen und im deutschen Kontext unterschiedliche gesellschaftliche und politische Konsequenzen. Die vorliegende Untersuchung geht von der Sichtweise alevitischer Akteure aus und unterscheidet, ob bei der Verhältnisbestimmung zwischen Alevitentum und Islam Einzelaspekte wie Gebet oder Fasten im Vordergrund stehen, oder eine pauschale Aussage ohne Rücksicht auf Einzelaspekte getroffen wird. Dadurch wird deutlich, dass die Verhältnisbestimmung zum Islam zwar essenziell für die kollektive Identität der Aleviten ist, zugleich aber durch die unterschiedlichen Grade der Abgrenzung und durch politische Aspekte zu einer Spaltung der alevitischen Bewegung führt.Inhaltsverzeichnis1. Einleitung1.1 Problembereich1.2 Zielsetzung1.3 Anmerkungen zum Forschungsstand1.4 Erläuterung der Fragestellung1.5 Erläuterung der Methode1.6 Begriffsbestimmungen und Anmerkungen2. Das Alevitentum in der Türkei2.1 Entwicklung des Alevitentums bis zur Frühzeit der Republik Türkei2.1.1 Ursprung und Entwicklung des Bektaschiten-Ordens2.1.2 Religiöse Aspekte des Alevitentums-Bektaschitentums2.2 Das Alevitentum in der modernen Türkei2.2.1 Ausgrenzung von sunnitischer Seite2.2.2 Der Religionskultur- und Ethikunterricht in der Türkei2.3 Entwicklung und Rolle der alevitischen Organisationen2.3.1 Die Hac Bekta Veli-Organisationen2.3.2 Die Pir Sultan Abdal-Organisationen2.3.3 Die CEM-Stiftung2.3.4 Die Ehl-i Beyt-Stiftung2.3.5 Alevitische Dachverbände2.4 Die offizielle türkische Sicht und die Haltung der Religionsbehörde DB2.5 Forderungen alevitischer Verbände an die Regierung2.6 Die Diskussion um die Zahl der Aleviten2.7 Zusammenfassung3. Das Alevitentum in Deutschland3.1 Entstehung und Entwicklung alevitischer Organisationen in Deutschland3.1.1 Die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF)3.1.2 Der CEM-Stiftung verbundene Organisationen in Deutschland3.1.3 Die Ehl-i Beyt-Stiftung in Deutschland3.1.4 Alevitische Organisationen der Kurden und Zaza3.2 Betonung der Eigenständigkeit und Abgrenzung vom Sunnitentum3.3 Der Alevitische Religionsunterricht in Deutschland3.4 Haltung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DTB)3.5 Zusammenfassung4. Kollektive Identität und die Verhältnisbestimmung zum Islam in Einzelaspekten4.1 Gesellschaftliche Konstruktion kollektiver Identität4.2 Kollektive Identität im Hinblick auf das Alevitentum4.3 Verschiedene Ebenen kollektiver Identität unter Aleviten4.4 Wir-Ihr-Wahrnehmung 4.5Abgrenzung in Einzelaspekten4.5.1 Namaz und Cem-Zeremonie4.5.2 Moschee und Cemhaus4.5.3 Ramadan-Fasten und Muharrem-Fasten4.5.4 Zekat und solidarisches Teilen4.5.5 Pilgerfahrt4.5.6 Alkoholverbot oder Alkoholerlaubnis4.5.7 Furcht vor der Hölle oder Liebe4.5.8 Rolle der Frau4.5.9 Haltung zu Moderne, Staat und Gesellschaft4.6 Alevitisches Geschichtsverständnis4.7 Zusammenfassung5. Pauschale Verhältnisbestimmungen, die eine Zugehörigkeit zum Islam betonen5.1 Das Alevitentum als mezhep5.2 Das Alevitentum als tarikat oder mystische Strömung im Islam5.3 Das Alevitentum als eine Auslegung des Islam (yorum/yol/kol)5.3.1 Das Alevitentum als spezifisch türkische Auslegung des Islam5.3.2 Das Alevitentum als spezifisch anatolische Auslegung des Islam5.4 Das Alevitentum als das "Wesen des Islam"5.4.1 Das Alevitentum als "Wesen des Islam" in Anlehnung an die Zwölferschia5.5 Das Alevitentum als "heterodoxer" Glaube5.6 Das Alevitentum als übergeordnete Kategorie5.7 Zusammenfassung6. Pauschale Verhältnisbestimmungen, die eine Unabhängigkeit implizieren6.1 Das Alevitentum als mehr oder weniger unabhängige Glaubensform mit synkretistischen Zügen6.2 Das Alevitentum als religiöse Tradition der Kurden6.3 Das Alevitentum als Philosophie, Lebensstil oder Kultur6.4 Prinzipielle Abgrenzung als Antwort auf Argumentationsdilemma6.5 Zusammenfassung7. Fazit aus den Verhältnisbestimmungen und Ausblick7.1 Versuche zur Vermeidung einer Verhältnisbestimmung7.2 Bedeutung der Verhältnisbestimmungen für den Diskurs in der Türkei7.3 Bedeutung der Verhältnisbestimmungen für den Diskurs in Deutschland7.4 Resümee und Ausblick8. Abkürzungsverzeichnis zu alevitischen Organisationen9. Übersicht häufig zitierter Autoren10. Literaturverzeichnis11. AnhangPresseerklärung der AABF vom 10.3.2008 zum Rechtsstreit gegen die DTBPresseerklärung der AABF vom 6.2.2008 zum Hausbrand in LudwigshafenErklärung des NRW-Schulministeriums zum Alevitischen Religionsunterricht vom 8.10.2008Erklärung der AABK zur Unterschriftenkampagne und zu Forderungen an die türkische Regierung vom 11.10.200412. Nachwort13. Index